Zukunftsaussichten der deutschen Volkswirtschaft

29.03.2018

Norbert Brackmann über die Zukunftsaussichten der deutschen Volkswirtschaft

 

Angesichts der jüngsten Entwicklung erscheint die deutsche Volkswirtschaft als Erfolgsmodell. Wie aber sieht es um die Zukunft aus? Für die Beantwortung dieser Frage hatte der CDU-Ortsverband Ahrensburg beim 21. Ahrensburger Wirtschaftsforum einen vielseitigen Experten als Gastredner gewonnen. Der Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann, der bei der Bundestagswahl am 24. September zum dritten Mal in Folge für die CDU ein Direktmandat im Wahlkreis Herzogtum Lauenburg/Stormarn-Süd gewonnen hat, ist in Berlin auf Haushaltspolitik spezialisiert und hat nicht nur einen exzellenten Überblick über die Möglichkeiten des Bundes, die sich aus der konjunkturellen Entwicklung ergeben, sondern auch über die Verteilung von Geld und die damit verbundenen politischen Weichenstellungen. Der Titel seines Vortrags war eine scheinbar simple Frage, die aber wegen der zahlreichen und vielfältigen beeinflussenden Faktoren eine komplexe Antwort verlangt: „Ist die deutsche Wirtschaft den globalen Herausforderungen gewachsen?“

Norbert Brackmann begann seine mit statistischen Daten angereicherte Analyse mit Erfolgsmeldungen. Die deutsche Wirtschaft wachse das fünfte Jahr in Folge, 2017 seien im Jahresdurchschnitt nur noch 2,6 Millionen Männer und Frauen arbeitslos gewesen, was einer Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent entspreche, die niedrigste seit der Wiedervereinigung. Aktuell seien in Deutschland 44,6 Millionen Menschen erwerbstätig. Auch die Sozialkassen seien rekordverdächtig gut ausgestattet: Die Nachhaltigkeitsrücklage der Deutschen Rentenversicherung sei  2017 auf 32,4 Milliarden Euro angewachsen, Krankenkassen und Gesundheitsfonds verfügten über Reserven von 25 Milliarden Euro, und die Bundesagentur für Arbeit habe ein 11,4 Milliarden-Polster.

Man muss kein Pessimist sein, um zu wissen, dass es nicht automatisch so weitergeht, zumal der rasante Wandel in einer globalisierten Welt mit einer zunehmenden Digitalisierung viele Ungewissheiten birgt. Wichtig für die Zukunftsfähigkeit sind Fitness und die daraus resultierende Flexibilität, die notwendig ist, um auf den Wandel reagieren zu können. Brackmanns kurzer „Gesundheitscheck“ brachte zunächst eine positive Erkenntnis über die deutsche Volkswirtschaft: Ihr Wachstum ist robust. Das heißt, dass nicht mehr die Exportwirtschaft allein die dominierende Triebkraft für das deutsche Wachstum sei, sondern die Binnenkonjunktur wesentlich von staatlichen sowie privaten Investitionen und stetig gestiegenem Konsum profitiere. „Wir sind also weniger anfällig für konjunkturelle Einbrüche beim Export“, sagte Brackmann und lobte die weitsichtige Familien- und Investitionspolitik des Bundes, die unter anderem die Erwerbstätigkeit im Lande gesteigert und den Kommunen geholfen habe, auch die soziale Infrastruktur auszubauen.

Weniger gut dagegen sei ein Wert, der im globalen Wettbewerb zunehmend wichtiger werde: Das Wachstum der Arbeitsproduktivität der deutschen Volkswirtschaft nehme seit den 90er-Jahren ab. Insbesondere nutze die deutsche Wirtschaft laut einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel noch zu wenig die Potenziale der Digitalisierung. Ein Grund dafür sei strukturell, denn die für die deutsche Volkswirtschaft so wichtigen kleinen und mittleren Firmen nutzten nicht zuletzt aus Kostengründen die neuen Informations- und Kommunikationstechniken weniger effektiv als Großunternehmen zum Beispiel in den USA.

Nach diesem Befund skizzierte Norbert Brackmann, was die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahren besonders herausfordere. Da sei zunächst eine gesellschaftliche Stimmung in vielen Staaten, die Protektionismus und Abschottung befördere, besonders extrem beim Brexit und bei Trumps „America First“ und den angedrohten Strafzöllen des US-Präsidenten für die deutsche Auto-Industrie. Eine andere Form sei der „außenwirtschaftliche Protektionismus“, mit dem China einen Wissenstransfer durch Investitionen und Einfluss auf wichtige Wirtschaftsbereiche und technologische Entwicklungen anstrebe – Übernahmen und Beteiligungen, die von der deutschen Politik zum Teil unter Hinweis auf sicherheitspolitische Bedenken abgelehnt würden.
Positiv sei dagegen die Aussicht, dass durch die Digitalisierung, also zum Beispiel durch Robotik und 3D-Druck, die  Massenfertigung in Hochlohnländer wie Deutschland zurückgeholt werden könne. Überdies biete die Automatisierung die Chance, dass Menschen weniger für mechanische Tätigkeiten eingesetzt würden, sondern dort, wo ein wachsender Bedarf bestehe, etwa in der Kinderbetreuung und in der Pflege – Bereiche, in denen Deutschland in Folge seiner demographischen Entwicklung schon jetzt viele Stellen nicht mehr besetzen kann. Brackmann: „Der deutsche Arbeitsmarkt braucht dringend Arbeitskräfte!“

Der Schlüssel zur weiteren gesunden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft ist für Norbert Brackmann die Digitalisierung, die politisch vorangetrieben werden müsse. Deutschland und Europa seien in der ersten Phase der Digitalisierung, der Plattform-Ökonomie mit Giganten wie Amazon, Google, Facebook oder Apple abgehängt worden. Doch schon bald beginne die „zweite Halbzeit“, die es ermögliche, die Wertschöpfung in Deutschland auszubauen. Dafür sei es erforderlich, die wesentlichen Technologien für diese Entwicklung durch Forschung und entsprechende Einrichtungen zu fördern, was die Bundesregierung gemeinsam mit europäischen Partnern forcieren müsse. Dabei gehe es um Mikroelektronik, Kommunikationstechnik, künstliche Intelligenz und Robotik. Der Bund hat 2017 für Forschung und Entwicklung 17,6 Milliarden Euro ausgegeben.

Entscheidende Weichenstellung für die Wirtschaft werde, auch unter dem Schlagwort Industrie 4.0, der Ausbau der digitalen Infrastruktur auf breiter Basis sein. Flächendeckender Breitbandausbau allein sei aber nicht genug, es müsse Übertragungskapazitäten von 1 GB pro Sekunde geben. Dies sogenannte Gigabyte-Netz mit einer Datenübertragung quasi in Echtzeit ist Voraussetzung unter anderem für das autonome Fahren, für neue Technologien in der Industrie, für digitale Landwirtschaft und effizientere Energieversorgung. Bis 2025 will die neue Große Koalition ein Netz mit dem neuen Mobilfunk-Standard 5G realisieren. Die Kosten dafür wurden in einem „Digitalisierungsfonds“ allein für die laufende Legislaturperiode mit zwölf Milliarden Euro veranschlagt. Der Haken an der Sache sei, dass im gegenwärtigen Haushalt von 46 Milliarden Euro dafür kein Geld vorgesehen ist, die Sozialausgaben dagegen, so Brackmann, seien weiter kräftig gestiegen. Die Finanzierung des GB-Netzes soll über die anstehende Versteigerung von 5G-Frequenzen an private Anbieter gesichert werden. Ob die angestrebte Summe erreicht werden kann, sei aber fraglich, weil die Bieter auch Versorgungsauflagen erfüllen müssten, die das künftige Geschäft weniger rentabel machen werden.

Brackmanns Fazit lautet, dass der Bund nicht umhin komme, den technologischen Wandel rechtzeitig und nachhaltig zu unterstützen. Viele Denkanstöße für die etwa 100 Besucher des Ahrensburger Wirtschaftsforums – also ein Abend mit einem anspruchsvollen Vortrag ganz im Sinn der nachhaltig gedachten „Zeitgespräche über Politik und Wirtschaft“, die 1996 vom CDU-Stadtverband Ahrensburg gestartet wurden und von Renate Tangermann organisiert werden.


Aus der Feder von Renate Tangermann.