„Unser Sozialsystem ist am Ende. Reformieren lässt es sich nicht“, meint der Hamburger Ökonom Thomas Straubhaar. Aber revolutionieren: durch das bedingungslose Grundeinkommen? Zu diesem brisanten Thema hatte die Ehrenvorsitzende der CDU, Renate Tangermann, geladen.
Für Professor Straubhaar ist das bedingungslose Grundeinkommen ein unverzichtbares sozialpolitisches Konzept einer modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts als logische Konsequenz aus den demographischen, technologischen, sozialen und ökonomischen Veränderungen der letzten und der kommenden Jahrzehnte. Wenn alle Menschen, vom Säugling bis zum Greis, ein Grundeinkommen erhalten, so entmündige sie das nicht, sondern befreie sie zu Selbständigkeit und eigenen Entscheidungen. Und der Staat investiere nicht länger in die Verwaltung des Mangels, sondern in eine gerechte Gleichbehandlung aller.
Die im späten 19. Jahrhundert unter Bismarck entwickelte Konstruktion des Rentenversicherungssystems funktioniere schon lange nicht mehr. Die Renten würden inzwischen immer stärker aus Steuerbeiträgen finanziert.
„Wenn dem Bürger zu jeder Zeit die materielle Sorge seines wirtschaftlichen Überlebens garantiert würde, schafft das Freiräume für die Orientierung in Beruf und Bildung“ so der Ökonom. Globalisierung und Digitalisierung beschleunigen den Wandel der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Wenn Roboter Menschen ersetzen, müsse zwangsläufig Arbeit einen anderen Stellenwert erhalten. Die Arbeit wird den Menschen nicht ausgehen, aber die Arbeitszeit wird schrumpfen. Weniger Arbeitszeit bedeute mehr Zeit für Fortbildung, darum ein Grundeinkommen. Die Menschen würden in der Zukunft nicht nur ein Beruf haben, sondern umdenken müssen. Der Professor ist davon überzeugt, dass der Wohlstand der Menschen in Deutschland nicht von den Menschen abhängt, die nicht arbeiten wollen.
Das Straubhaar´sche Konzept
Der Staat gibt allen deutschen Staatsbürgern, vom Säugling bis zum Greis, Monat für Monat 1000,00 Euro bzw. eine in der Höhe des Existenzminimums liegende Transferzahlung, die aus dem allgemeinen Staatshaushalt über Steuern finanziert wird. Das Grundeinkommen ist steuerfrei unabhängig vom weiteren eigenen Einkommen. Zusätzliche Einkommen aller Art, d.h. Kapitalerträge, Zinsen, Dividenden, Mieten, Tantiemen, Lizenzeinnahmen oder Erträge aus Vermarktungs- und Buchrechte werden an der Quelle erfasst und vom ersten bis zum letzten Euro mit einem einheitlichen Steuersatz belastet. Es gibt keine Steuerfreibeträge, keine Werbungskosten, keine Sozialabgaben an Sozialversicherungen mehr. Es gibt weder gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung noch Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohn- oder Kindergeld. So stellt sich Straubhaar das künftige System in Deutschland vor.
Für die Kranken- und Unfallversicherung gibt es entweder eine Grundversicherungspflicht, oder der Staat vergibt an alle staatliche Versicherungsgutscheine, die bei jeder Kranken- bzw. Unfallversicherung für eine Grundversicherung eingelöst werden, oder aber das Grundeinkommen wird durch ein staatliches Gesundheitswesen ergänzt, bei dem eine medizinische Grundversorgung für alle kostenlos angeboten wird. Anhand von Beispielen und graphischen Darstellungen versuchte Straubhaar seine Ausführungen zu belegen.
Nach seinem einstündigen Vortrag beantwortete Prof. Straubhaar den fast 200 staunenden Gästen in einer lebhaften Diskussionsrunde die Bedenken und Fragen für diese umstrittene finanzielle Grundversorgung aller Bürger. Man könnte meinen, dass es sich hierbei um eine utopische Idee handelt und wird allerdings nachdenklich, insbesondere da sie inzwischen bereits im Koalitionsvertrag der neuen Regierung von Schleswig-Holstein angedeutet wird und damit sehr gegenwärtig ist.
Mit dem abschließenden traditionellen Round-Table-Talk bei Roastbeef und Bratkartoffeln ging das hochinteressante 20. Ahrensburger Wirtschaftsforum zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ zu Ende. Politik und Wirtschaft werden zukünftig weiter darüber reden müssen!
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